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Anthropologie
 
Die Anthropologie ist die Wissenschaft vom Menschen. Anthropologie befasst sich mit Eigenschaften und Verhaltensweisen von einzelnen Menschen, aber auch mit der Gesamtheit aller Menschen sowie der menschlichen Kultur. Ein wichtiger Themenbereich der Anthropologie ist u. a. die Fähigkeit des Menschen, die Welt abstrakt zu erfassen, zu lernen und zu lehren, und die (Um-)Welt zu beeinflussen oder zu verändern. Anthropologie kann unter verschiedenen Perspektiven betrieben werden: Die philosophische A. fragt nach dem Wesen des Menschen. Dabei erfasst sie insbesondere seine Stellung zur unbelebten Welt, zu Tieren und zu anderen Menschen sowie zur Religion. Die Kultur- und Sozialanthropologie untersucht die Gattung Mensch in ihrer Eigenart und ihrer besonderen Stellung in Natur und Geschichte.
 
Die biologische Anthropologie vergleicht die Biologie des Menschen mit ihrer geschichtlichen Entwicklung und mit verwandten Arten (Teilgebiete: Primatologie, Evolution des Menschen, (prä-)historische Anthropologie, Bevölkerungsbiologie, Populationsgenetik, Wachstum, Konstitution, Forensik.) Dabei werden genetische Grundlagen ebenso berücksichtigt wie umweltbestimmte. Moderne Evolutionstheorien haben neue Thesen aufgestellt, was Menschen "bewegt" - es geht um die Rolle von Gefühlen und Körper in der Reaktion auf die Umgebung. Der begriffliche Zusatz "biologisch" wurde notwendig, weil der amerikanische Begriff 'anthropology' auch die Humanbiologie, Ethnologie, Linguistik und Soziologie umfasst. Die Ethologie/Primatologie befasst sich mit dem Vergleich des Verhaltens von Menschen und Tieren (speziell von Menschenaffen). Die Ethnologie befasst sich mit Unterschieden zwischen den Völkern, die Archäologie mit der Erfassung (vor-) geschichtlicher Kulturen und deren (unterschiedlichen) Entwicklungen, die Linguistik mit Unterschieden zwischen den Sprachen.
 
Forensische Anthropologie ist eine der drei gerichtlichen Wissenschaften vom Menschen, neben der Rechtsmedizin und der forensischen Odontologie. Sie dient der Aufklärung von Verbrechen durch Methoden der Anthropologie. Forensische Anthropologen haben vor allem mit der Identifikation von Bankräubern, Schnellfahrern usw. zu tun, mit verwesten oder vollständig skelettierten Leichen, auch in Massengräbern. Nicht selten sind sie die letzte Hoffnung zur Aufklärung eines Verbrechens. Außerdem sind Themen: Altersdiagnose, insbesondere bei jungen Straftätern; Abstammungsgutachten und Zwillingsdiagnosen.
 
Mit der Hilfe der pädagogischen A. werden die impliziten und expliziten Annahmen der Pädagogik über den Menschen reflektiert. Sie nutzt die neuesten Erkenntnisse der Forschung (im Besonderen der <- Neurowissenschaften) und ist bestrebt, die Erkenntnisse für die Erziehung nutzbar zu machen. Fundamentalkategorien sind Erziehung/ Bildung und die Erziehungsbedürftigkeit/ Bildsamkeit. Unterkategorien der pädagogischen A. sind beispielsweise die Theorie des Lernens und Lehrens oder der Begabung und Interesses. Diskutiert wird in den vergangenen Jahrzehnten in regelmäßigen Abständen, ob es "den" Menschen und allgemein verbreitete Eigenschaften gibt und was die "Natur" des Menschen sei. Aus den Extrempositionen dieser Diskussionen entwickeln sich Ansätze, die beide Überlegungen verbinden: Menschen werden mit genetischen Anlagen in eine Gesellschaft hinein geboren. Im Prozess der Auseinandersetzung entwickelt das Kind individuell Lösungsversuche, die auf Reaktionen von Eltern und Umwelt stoßen und sich so als mehr oder weniger erfolgreich zeigen. Dieses komplexe Zusammenspiel verschiedener Personen und soziokulturell vorgefundener Bedingungen sorgt dann auch dafür, dass genetische Anlagen zur Wirkung kommen. Die meisten Gene brauchen (soziale) Umwelten, um aktiv zu werden. Im Verlauf des Lebens beginnen Individuen außerdem (in größerem oder geringerem Ausmaß), ihrerseits ihre Umwelt zu beeinflussen. Ekman entwickelte z. B. eine physiologisch orientierte Klassifikation der emotionalen Gesichtsausdrücke, die in der Ausdruckspsychologie eine wichtige Rolle spielt. Ekman fand Beweise für die erbliche Bedingtheit zahlreicher emotionaler Gesichtsausdrücke, darunter die von ihm unterschiedenen sieben Basisemotionen Fröhlichkeit, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung, die kulturübergreifend bei allen Menschen in gleicher Weise erkannt und ausgedrückt werden. Diese von ihm als elementar beschriebenen Gesichtsausdrücke sind nicht kulturell erlernt, sondern genetisch bedingt. Dabei lösen die Gesichtsausdrücke Reaktionen aus, die das Interaktionsgefüge beeinflussen; zugleich gibt es gesellschaftliche Regeln, die das Zeigen bestimmter Emotionen ge- oder verbieten. Man sollte also weder einem deterministischen Modell (Gene oder Umwelt prägen das Individuum) noch einem voluntaristischen Modell (Gene und Umwelt spielen keine Rolle, das Individuum hat alle Freiheiten) nachstreben. Es geht vielmehr um komplexe, nicht-lineare Interaktionen von Menschen, ihren evolutionär erworbenen Fähigkeiten und soziokulturellen Bedingungen.
 
Literatur
 
- Böhme, Gernot (1985) Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Darmstädter Vorlesungen, Frankfurt/Main
- Ekman, Paul (2004) Gefühle lesen - Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren, München
- Heuer, Wolfgang (2002) Couragiertes Handeln, Lüneburg - http://www.wikipedia.de
 

Michael Stiels-Glenn
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