Freiheitsstrafe (einschl. Ersatzfreiheitsstrafe) Nach geltendem Recht ist die Freiheitsstrafe die schwerste Strafart und zählt neben der Geldstrafe zu den Hauptstrafen des Strafrechts.
Die Freiheitsstrafe wird in Anstalten der Landesjustizverwaltungen (Justizvollzugsanstalten) vollzogen (§ 139 StVollzG). Seit der Beseitigung früher geltender Abstufungen (Zuchthaus, Gefängnisstrafe, Einschließung und Haft) durch das 1. Strafrechtsreformgesetz am 1.4.1970 wird sie nur noch als Einheitsstrafe verhängt.
In ihrem Vollzug soll sie als Hauptziel der
Resozialisierung des Täters (§ 2 S. 1 StVollzG) dienen. Daneben dient sie auch der Sicherung der Allgemeinheit (§ 2 S. 2 StVollzG). Mit der Abschaffung der
Todesstrafe ist zum Ausdruck gebracht, dass die
Strafe in keiner ihrer Formen auf die Vernichtung des Schuldigen als "Feind" abzielt.
§ 38 StGB unterscheidet zwischen der zeitigen und der lebenslangen Freiheitsstrafe. Ist die Freiheitsstrafe nicht ausdrücklich als lebenslang angedroht, so ist sie zeitig (§ 38 Abs. 1 StGB).
Die lebenslange
Strafe ist als absolute
Strafe angedroht u.a. in § 211 StGB (Mord). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe bejaht, jedoch einschränkende Grundsätze für die Verhängung (bei Mord) formuliert. Zum einen müssen die Mordmerkmale des § 211 StGB restriktiv ausgelegt werden, zum anderen muss die Möglichkeit der früheren Entlassung bestehen. Den verfassungsrechtlichen Bedenken hat der Gesetzgeber durch Einführung des § 57a StGB Rechnung getragen, wonach auch für zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte eine konkrete Chance haben, wieder in Freiheit zu gelangen. Liegen die Voraussetzungen des § 57a StGB nicht vor, so besteht für den Verurteilten lediglich die Möglichkeit, um eine Gnadenentscheidung zu bitten und damit im Gnadenweg die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung zu erreichen.
Das Höchstmaß bei der zeitigen Freiheitsstrafe beträgt fünfzehn Jahre, das Mindestmaß einen Monat (§ 38 Abs. 2 StGB). § 39 StGB bestimmt die Maßeinheiten, in denen zeitige Freiheitsstrafe zu verhängen ist.
In den Fällen, in denen sich der Täter durch die Tat einen Vermögensvorteil verschafft hat oder verschaffen wollte, kann Geldstrafe neben Freiheitsstrafe verhängt werden (§ 41 S. 1 StGB).
In § 47 StGB ist die kurze Freiheitsstrafe geregelt. Nach § 47 Abs. 1 StGB ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur ausnahmsweise zulässig und zwar nur dann, wenn sie wegen besonderer Umstände spezialpräventiv zur Einwirkung auf den Täter oder generalpräventiv zur
Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe ist problematisch, da einerseits der Täter aus seinen sozialen Verflechtungen gerissen, sie andererseits wegen ihrer Kürze für eine
Resozialisierung nicht ausreichend ist und der Täter zudem einem kriminogenen Umfeld ausgesetzt wird. Daher soll eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur als ultima ratio verhangen und bei günstiger Täterprognose stets zur Bewährung ausgesetzt werden.
Gemäß § 56 StGB kann die zeitige Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Rechtlich handelt es sich hierbei um eine Modifikation der Freiheitsstrafvollstreckung, kriminalpolitisch um eine Sanktion eigener Art. Ausgesetzt werden können Freiheitsstrafen von nicht mehr als einem Jahr (§ 56 Abs. 1 StGB), in besonderen Fällen auch Freiheitsstrafen von nicht mehr als zwei Jahren (§ 56 Abs. 2 StGB). Die Strafaussetzung zur Bewährung setzt eine günstige Täterprognose voraus. Danach muss zu erwarten sein, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des
Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 S. 1 StGB). Zu dieser allgemeinen Voraussetzung müssen im Fall des § 56 Abs. 2 StGB besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten hinzukommen, welche die Aussetzung als angebracht erscheinen lassen. Die Dauer der Bewährungszeit bestimmt das Gericht (§ 56a StGB), die Erteilung von Auflagen (§ 56b StGB) und Weisungen (§ 56c StGB) steht im Ermessen des Gerichts. Bewährt sich der Verurteilte nicht, wird die Strafaussetzung vom Gericht widerrufen (§ 56f StGB) und die Freiheitsstrafe ist in ihrer vollen Länge zu verbüßen.
Eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung für die zeitige Freiheitsstrafe sieht § 57 StGB vor. Man spricht hier auch von bedingter Entlassung. Der Rest einer zeitigen Freiheitsstrafe wird vom Gericht zur Bewährung ausgesetzt, wenn zwei Drittel der verhängten
Strafe verbüßt sind, der Gefangene einwilligt und eine positive Verantwortungsprognose vorliegt (§ 57 Abs. 1 StGB). Daneben ist nach § 57 Abs. 2 StGB auch eine Halbstrafen-Aussetzung möglich. Statistisch gesehen ist die Vollverbüßung die Regel, die Reststrafenaussetzung die Ausnahme (ca. 30 % Aussetzungen, Halbstrafen-Aussetzungen unter 2 %).
Nach § 51 Abs. 1 StGB ist erlittene
Untersuchungshaft grundsätzlich auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, es sei denn, dies ist im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt.
Das
Jugendstrafrecht hat als freiheitsentziehende Sanktion die Jugendstrafe (§§ 17 ff. JGG). Als Besonderheit sieht das
Jugendstrafrecht die Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung nicht nur der verhängten
Strafe (§§ 21 ff. JGG), sondern auch bereits ihrer Verhängung selbst (§§ 27 ff. JGG) vor.
Bei der Ersatzfreiheitsstrafe handelt es sich um eine echte
Strafe. Nach § 43 StGB tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe Freiheitsstrafe, wobei einem Tagessatz Geldstrafe ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Die Ersatzfreiheitsstrafe führt zu dem Umstand, dass ein gewisser Anteil der im
Strafvollzug befindlichen Gefangenen einsitzt, obwohl das erkennende Gericht eine Geldstrafe und keine Freiheitsstrafe verhangen hat. Das verurteilende Gericht ist also davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht resozialisiert oder die Allgemeinheit vor ihm geschützt werden muss.
Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag (§ 43 S. 3 StGB), die Regelung des § 38 Abs. 2 StGB für die zeitige Freiheitsstrafe (Mindestmaß von einem Monat) gilt also nicht.
Die Ersatzfreiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Daneben ist auch eine Reststrafen-Aussetzung nach § 57 StGB nicht möglich.
Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe setzt voraus, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist. Der Verurteilte kann prinzipiell nicht wählen, ob er die Geldstrafe freiwillig bezahlen oder die Freiheitsstrafe verbüßen will. Zahlt der Verurteilte nicht, muss die Justizbehörde (
Staatsanwaltschaft, Rechtspfleger) ernsthaft und unter Umständen wiederholt versuchen, die Geldstrafe zu vollstrecken, um den kriminalpolitisch unerwünschten Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden.
Die regelmäßige Folge der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe; sie trifft auch den unverschuldet Zahlungsunfähigen.
Ist die Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, so ist insoweit die Geldstrafe getilgt.
Die Ersatzfreiheitsstrafe kann durch freie Arbeit abgewendet werden. Art. 293 EGStGB ermächtigt die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, wonach die Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB durch freie, unentgeltliche und nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienende Arbeit abzuwenden. Inzwischen bestehen in allen Bundesländern entsprechende Vorschriften. Für die gemeinnützige Arbeit spricht neben Kostengesichtspunkten die Kombination verschiedener Strafzwecke, die durch sie verwirklicht werden können. Für den Täter besteht das Strafübel in dem Entzug der Freiheit; durch die soziale Arbeit an die Gesellschaft wird Wiedergutmachung geleistet; die
Resozialisierung des Täters wird erleichtert, da seine sozialen Kontakte durch den Eingriff nicht gestört werden, und zudem gefördert, da er konstantes Arbeitsverhalten erlernt.
Tabelle: Bestand der Gefangenen in den Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätzen des geschlossenen und offenen Vollzuges zum 31.03.2006/ Deutschland insgesamt (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Zahl der Voll- zugsanstalten
A/B=geschlos- sener und offener Vollzug zusammen
B=darunter offener Vollzug
|
i=insgesamt
w=weiblich
|
Belegung nach ausgewählten
Vollzugsarten
|
Vollzug von Freiheitsstrafe
|
Vollzugsdauer
|
insgesamt
|
darunter Ersatzfrei- heitsstrafe
|
bis unter 6 Monate
|
6 Monate bis einschl. 1 Jahr
|
mehr als 1 Jahr
|
A/B: 197
|
i
w
|
11772
924
|
11441
630
|
31486
1285
|
54699
2839
|
4043
304
|
A: 178
B: 19
|
i
w
i
w
|
9382
760
2390
164
|
9587
512
1854
118
|
27037
1071
4449
214
|
46006
2343
8693
496
|
2935
241
1108
63
|
Wegen der seit Jahren steigenden Gefangenenzahlen ergeben sich Kapazitätsprobleme. Aufgrund Überbelegung, strukturell veränderter Gefangenenpopulation, verstärkter Gewaltbereitschaft der Gefangenen untereinander und gegen Bedienstete, sowie Drogenhandel und Beschaffungskriminalität in den Anstalten ist die Belastungsgrenze der Justizvollzugsbediensteten erreicht. Insoweit wird auch von der Krise der Freiheitsstrafe und des
Strafvollzugs gesprochen. Die Frage nach den Alternativen zur Freiheitsstrafe hat daher erneut erhebliche Aktualität gewonnen, wobei im Mittelpunkt die Verankerung der
Schadenswiedergutmachung, die Ausweitung des Täter-
Opfer-Ausgleichs, der Ausbau der gemeinnützigen Arbeit sowie der elektronisch überwachte Hausarrest stehen.
Literatur:
- Heinz, Wolfgang: Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 - 2003 (Stand: Berichtsjahr 2003), Internet-Publikation: < www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks03.pdf >; Köhne, Michael: Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe?, JR 2004, 453-456
Dominique Best