Gemeinnützige Arbeit Die gemeinnützige Arbeit führte im Bereich des Strafrechts über lange Jahrzehnte hinweg ein ausgesprochenes Schattendasein. Ihren juristisch engen Anwendungsbereich hat sie bis zur Gegenwart behalten, ungeachtet kriminalpolitischer Ausweitungstendenzen; innerhalb dieser engen Definition ist jedoch die praktische Bedeutung vor allem in den 80er Jahren erheblich gestiegen.
Ausgangspunkt ist die Geldstrafe, die als Tagessatzstrafe ausgestaltet ist, im Ergebnis gleichwohl zu einer bestimmten Summe Geldes führt, die der Verurteilte zahlen muß. Kann der Verurteilte die ihm auferlegte Geldstrafe aber nicht vollständig zahlen, so können ihm Zahlungserleichterungen (Zahlungsfristen, Raten) gewährt oder im Ergebnis bestimmte Teile der
Strafe erlassen werden (sogenannte Niederschlagung). Von Anfang an oder erst im Ergebnis entsteht ein Problem freilich dann, wenn (vereinfacht gesagt) der Verurteilte die Geldstrafe nicht so sehr nicht zahlen kann als vielmehr nicht zahlen will. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber im Strafgesetzbuch vorgesehen, dass an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe *
Ersatzfreiheitsstrafe tritt, wobei einem Tagessatz der Geldstrafe ein Tag
Freiheitsstrafe entspricht.
In den Grenzbereich zwischen "Nichtkönnen" und "Nichtwollen" schiebt sich die gemeinnützige Arbeit, in dieser Variante des allgemeinen Strafrechts früher als Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit bezeichnet. Artikel 293 EGStGB spricht nunmehr in der seit 1986 geltenden Fassung von der Abwendung der Vollstreckung der
Ersatzfreiheitsstrafe. Danach werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen, wonach die
Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung einer
Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit anzuwenden (Gemeinnützige Arbeit). Soweit der Verurteilte die freie Arbeit geleistet hat, ist die
Ersatzfreiheitsstrafe erledigt. Diese Arbeit muß unentgeltlich sein und darf nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen. Es wird durch sie kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung begründet. Die gemeinnützige Arbeit in diesem Sinne kann auch aufgrund einer Anordnung im Gnadenweg ausgeübt werden.
Unter Rückgriff auf ausländische Vorbilder, z. B. die sogenannte community service order in Großbritannien, geht die kriminalpolitische Diskussion verstärkt inzwischen dahin, die gemeinnützige Arbeit als eigenständige Sanktion ins deutsche Stafrecht einzuführen, sei es im Wege einer ganz neu ausgestalteten Geld-Leistungs-
Strafe, bei der eben die "Zahlung" in unterschiedlichsten Formen erfolgen kann, sei es als freiheitsbeschränkende
Strafe, die zwischen der Geldstrafe und der Bewährungsstrafe oder auch unbedingten
Freiheitsstrafe angesiedelt ist. Ein Ansatzpunkt dafür findet sich in den Wiedergutmachungsleistungen, die als Auflage derzeit bereits im Sinne eines selbständigen Zuchtmittels im
Jugendstrafrecht vorgesehen sind, ferner als sogenannte Bewährungsauflage bei Strafaussetzung zur Bewährung oder Strafrestaussetzung zur Bewährung im
Jugendstrafrecht und im allgemeinen Strafrecht, schließlich als besondere Variante der Einstellung des Verfahrens unter Auflagen durch
Staatsanwaltschaft oder Gericht nach § 153a StPO (*
Schadenswiedergutmachung). Allerdings sind derzeit sowohl die verfassungsrechtlichen Grundlagen, vor allem mit Blick auf das Zwangsarbeitsverbot in Artikel 12 Grundgesetz, als auch die dogmatischen Details umstritten, so dass für die nächsten Jahre noch die "Ersatzlösung" dominieren dürfte.
Literatur:
- Albrecht, H.J.; Schädler, W.: Die gemeinützige Arbeit auf dem Weg zur eigenständigen Sanktion? Zeitschrift für Rechtspolitik 1988, 278-283.
- Gerken, U.; Henningsen, J. (Hrsg.): Arbeit als strafrechtliche Sanktion? Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 1989, 222-235.
- Kerner, H.J.; Kästner, O. (Hrsg.): Gemeinnützige Arbeit in der Strafrechtspflege. Bonn 1986.
Entnommen mit freundlicher Genehmigung des
Kriminalistik-Verlages Heidelberg aus der gedruckten Version des Kriminologie-Lexikons, Stand der Bearbeitung: 1991
Hans-Jürgen Kerner