Kommunale Kriminalprävention "Kriminalprävention umfasst die Gesamtheit aller staatlichen und privaten Bemühungen, Programme und Maßnahmen, die Kriminalität als gesellschaftliches Phänomen oder als individuelles Ereignis verhüten, mindern oder in ihren Folgen gering halten soll" heißt es in einer Publikation der Zentralen Geschäftsstelle Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Die Bezeichnung kommunale Kriminalprävention bringt zwar dahingehend eine Präzisierung mit sich, als dass sie aus der Vielzahl von Präventivmaßnahmen jene eingrenzt, die auf kommunaler Ebene entwickelt und umgesetzt werden. Angesichts des breiten Spektrums an Aktivitäten, die heute unter dem Banner der kommunalen Kriminalprävention geführt werden, ist eine engere Definition aber auch kaum möglich.
In Deutschland ist kommunale Kriminalprävention erst seit Anfang der 90er Jahre ein Begriff. Inspiriert von Vorbildern vor allem in den USA, Großbritannien und Skandinavien entstanden in deutschen Städten und Gemeinden zahlreiche Projekte und Institutionen, deren Ziel es ist, nicht nur die Kriminalität, sondern auch die
Verbrechensfurcht der Bürger zu reduzieren. Daneben sollen die in der Regel emotional geführten Debatten über Kriminalität aus der parteipolitischen Instrumentalisierung und Umklammerung befreit werden, um so eine sachlich und nachhaltig orientierte Problemlösung zu ermöglichen.
Insbesondere die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure, die im Handlungsfeld der Prävention tätig sind, ist in den Fokus der kommunalen Kriminalprävention gerückt. Durch eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung soll das jeweilige Expertenwissen und die Milieukenntnisse von Polizei, Ordnungsamt, Jugendamt und anderen Akteuren in der Kommune untereinander ausgetauscht, die individuellen und institutionellen Ressourcen und Kompetenzen gebündelt und bürokratische Hindernisse bei der Bekämpfung und Vorbeugung von Kriminalität abgebaut werden. Das passiert z. B. in kommunalen Präventionsgremien, die innerhalb der kommunalen Kriminalprävention eine Schlüsselrolle hinsichtlich der Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den Akteuren einnehmen.
Ungeachtet der Frage, ob mit den aufgelegten Programmen tatsächlich die gewünschten Wirkungen in den Kommunen eintreten, entfaltet der Präventionsdiskurs, der sich mal an "law and order"-Konzepten wie "broken windows" oder "zero tolerance" anlehnt, mal davon distanziert, eine breite Öffentlichkeitswirkung. Die Innen- und Justizministerien der Länder dokumentieren die Präventionsprogramme in ihren Kommunen inzwischen im Internet und in Broschüren. Den offiziellen Verlautbarungen zufolge sind z. B. in Nordrhein-Westfalen seit 1997 über 900 Ordnungspartnerschaften zwischen Polizei und Ordnungsamt geschlossen worden, die gemeinsam aktuelle Unsicherheitslagen in der Gemeinde angehen, von der zielgruppenspezifischen Verkehrserziehung bis zur Steuerung der offenen Drogenszene in der Innenstadt. In Bayern sind seit 1994 knapp 60 Sicherheitswachten entstanden, in denen Bürger - die rechtlich und organisatorisch an die Polizei angekoppelt und an ihren Armbinden und Westen zu erkennen sind - ehrenamtlich Streifengänge unternehmen. In Brandenburg sind seit 1994 rund 110 Sicherheitspartnerschaften ins Leben gerufen worden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Stadtteilbewohner als Ansprechpartner und Vermittler bei Problemen im Viertel agieren. In Baden-Württemberg verrichten mittlerweile ungefähr 550 kommunale Präventionsgremien ihre Arbeit, bundesweit wird ihre Zahl auf 2.000 geschätzt.
Dieser kleine Ausschnitt aus der Masse der zahlreichen akteurs-, themen-, delikts-, tatort-, täter- oder opferspezifisch ausgerichteten Präventionsprojekte, die in den Kommunen stattfinden, verdeutlicht, wie schnell sich eine regelrechte "Präventionskultur" auf der lokalen Ebene ausgebreitet hat. Auch wenn Prävention zu einer Konsensformel mit selbstlegitimierendem Anspruch avanciert ist, verläuft ihre praktische Umsetzung aber nicht ohne Probleme. Häufig entzündet sich der Streit daran, wer die Kosten für die gemeinsamen Aktivitäten übernimmt bzw. die personellen Ressourcen zur Verfügung stellt: Land oder Kommune, Polizei oder Stadtverwaltung? Denn nicht immer können sich die Beteiligten auf eine Co-Finanzierung einigen wie bei der bayerischen Sicherheitswacht: Während die Kommunen dort die Ausrüstung und die Aufwandsentschädigung der Sicherheitswächter bezahlen, übernimmt die Polizei deren Auswahl und (Kurz-)Ausbildung sowie das Einsatzmanagement.
Auch die oft geforderte und in vielen Modellen bereits realisierte Kooperation steht vor nicht unerheblichen Schwierigkeiten. Zum einen können die über Jahrzehnte verhärteten Vorbehalte und
Vorurteile der Akteure (z. B. zwischen Polizeibeamten und
Sozialarbeitern) nicht von heute auf morgen reibungslos überwunden werden. Hier sind noch viel Aufklärungs- und Vertrauensarbeit und eine langer Atem nötig. Zum anderen werden häufig die unbeabsichtigten kontraproduktiven, zumindest aber ambivalenten Effekte einiger Präventivmaßnahmen nicht ausreichend bei der Planung und Implementation bedacht oder sind den Praktikern gar nicht bekannt. Einige Kritiker halten zudem den Begriff Kriminalprävention für problematisch, weil es bei vielen Projekten der kommunalen Kriminalprävention weniger um strafrechtlich relevante Tatbestände geht, sondern überwiegend um Handlungen, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen und selbst den Bereich von
Ordnungswidrigkeiten oder Bagatellkriminalität selten berühren, aber dennoch Angst und Verunsicherung bei den Bürgern hervorrufen. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass Kriminalprävention oftmals nur die artikulationsstarken Interessen berücksichtigt und damit eine Selektion begünstigt, was die Teilnehmer-, Zielgruppen- und Problemauswahl angeht. Trotz dieser zum Großteil berechtigten Kritik sind viele der bisherigen Bemühungen in der kommunalen Kriminalprävention erfolgreich und ebnen den Weg für einen problemorientierten und rationalen Umgang mit Kriminalität und Kriminalitätsfurcht.
Literatur:
- Jasch, M. 2003: Kommunale Kriminalprävention in der Krise. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 86/6: 413-420;
- van den Brink, H. 2005: Kommunale Kriminalprävention - Mehr Sicherheit in der Stadt? Eine qualitative Studie über kommunale Präventionsgremien, Frankfurt/M.;
- van Elsbergen, G. 2005: Chancen und Risiken kommunaler Kriminalprävention. Eine qualitativ-empirische Analyse. Wiesbaden.
Henning Van den Brink