Strafvollstreckung Die Strafvollstreckung kann beginnen, sobald und soweit eine strafgerichtliche Verurteilung, durch die eine
Strafe oder maßregelnde Besserung und Sicherung verhängt wurde, rechtskräftig und damit vollstreckbar geworden ist. Die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen für die Vollstreckung finden sich im 7. Buch der Strafprozeßordnung (§ 449 ff.); für das Jugendstrafverfahren ist zusätzlich das JGG einschlägig; ergänzende Detailregelungen für die Praxis bringt die Strafvollstreckungsordnung. Im Allgemeinen Strafrecht wird die Vollstreckung durch die sogenannte Vollstreckungsbehörde geleitet. Dies ist die *
Staatsanwaltschaft, wobei in der entsprechenden Abteilung vor allem bei denjenigen Sanktionen, die nicht mit Freiheitsentzug verbunden sind, der Rechtspfleger die wesentlichen Verfügungen trifft und die Geschäfte abwickelt. Im Jugendstrafverfahren bleibt regelmäßig die Zuständigkeit beim Jugendrichter, der insofern den Titel des Vollstreckungsleiters trägt; obwohl er nach den üblichen Kriterien im Rahmen der Strafvollstreckung Verwaltungstätigkeit ausüben würde und damit analog zu anderen Grundsätzen weisungsunterworfen wäre, hat der Gesetzgeber aus übergeordneten Erwägungen heraus einen Teil davon den sogenannten jugendrichterlichen Entscheidungen zugeschlagen und damit der richterlichen Unabhängigkeit unterstellt (§§ 82, 83 JGG).
Daß mit der Rechtskraft die Vollstreckung auch rechtlich möglich ist, bedeutet natürlich noch lange nicht, daß sie tatsächlich begonnen und problemlos in allen Fällen durchgeführt werden kann. Es können Hindernisse der unterschiedlichsten Art auftreten.
Bei der Geldstrafenvollstreckung kann sich, wenn nicht bereits das erkennende Gericht Zahlungsaufschub oder Ratenzahlungen eingeräumt hat, nachträglich herausstellen, daß der Geldstrafenschuldner aus Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind (beispielsweise unverschuldete Arbeitslosigkeit) überhaupt nicht oder in sehr viel geringerem Umfang als ursprünglich gedacht, zahlungsfähig ist. In diesem Fall können teilweise die Vollstreckungsbehörde, teilweise das Gericht nachträglichen Zahlungsaufschub oder Zahlungserleichterungen anderer Art, wie Verringerung der Raten, gewähren, im Wege der sogenannten Niederschlagung auch auf einen Teil oder sogar die ganze Summe verzichten, wenn anders die
Resozialisierung gefährdet würde. Bei zahlungsunwilligen Geldstrafenschuldnern kann die Vollstreckungsbehörde zunächst versuchen, die Summe im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Wenn dies nicht gelingt, wird dann ggf. zur Vollstreckung der sogenannten *
Ersatzfreiheitsstrafe übergegangen. Bei einer von vornherein absehbaren Aussichtslosigkeit kommt die sofortige Anordnung der
Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht. Der Geldstrafenschuldner kann die anfängliche oder auch die weitere Vollstreckung der
Ersatzfreiheitsstrafe jederzeit durch nunmehrige Zahlung des ganzen Geldbetrages oder eines Teils davon in entsprechendem Umfang abwenden. Als Alternative gibt es die Möglichkeit für den Verurteilten, die Vollstreckung einer
Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Die Landesregierungen werden durch Art. 283 EGStGB ermächtigt, durch Rechtsverordnungen entsprechende Regelungen zu treffen und haben dies in den letzten Jahren auch ausnahmslos genutzt, so daß sich die so bezeichnete *Gemeinnützige Arbeit erheblich ausgeweitet hat.
Bei der Durchführung von Bewährungsstrafen werden Vollstreckungsfragen besonders dann relevant, wenn sich der Verurteilte von Anfang an oder später hartnäckig nicht an die Auflagen und Weisungen hält, sich beispielsweise im Falle der Anordnung von Bewährungshilfe der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers entzieht oder schließlich, in allen Fallkonstellationen, erhebliche neue Straftaten begeht. Hier bleibt die Zuständigkeit beim Gericht. Das Gericht kann sich damit begnügen, wenn dies als ausreichend erscheint, die Auflagen oder Weisungen zu ändern bzw. entsprechende Modifikationen anzubringen, die Bewährungszeit bis zu einem gewissen Ausmaß zu verlängern oder eine neue, sozusagen parallel laufende Bewährungsstrafe im neuen Verfahren zu verhängen. Wenn sich das Gericht aber entschließt, die Strafaussetzung voraussichtlich zu widerrufen, so kann es sich schon vor Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses vorläufige Maßnahmen treffen, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, insbesondere unter entsprechenden Voraussetzungen der Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder neuen Straftatengefahr, einen Sicherungshaftbefehl erlassen. Bei einer Strafrestaussetzung zur Bewährung mit oder ohne Unterstellung unter einen Bewährungshelfer werden die Vollstreckungsentscheidungen vom Vollstreckungsgericht, also der Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes getroffen.
Bei der Vollstreckung von freiheitsentziehenden
Strafen und Maßregeln kommt zunächst ein Aufschub der Vollstreckung in Betracht, wenn erhebliche Erkrankungen vorliegen, ferner aus Gründen der Vollzugsorganisation oder auf Antrag des Verurteilten dann, wenn durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten selber oder seiner
Familie erhebliche Nachteile erwachsen würden, die außerhalb des Strafzwecks liegen. Im Verlauf der Verbüßung ist dann auch eine Unterbrechung der Vollstreckung möglich.
Im Drogenstrafrecht gibt es die besondere Modifikation der "Therapie statt
Strafe", rechtstechnisch als Zurückstellung der Strafvollstreckung konzipiert. Danach wird die anfängliche Vollstreckung einer
Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe bzw. die weitere Vollstreckung eines Restes solcher
Strafen zurückgestellt, wenn und soweit der Verurteilte sich anerbietet, an einer freiwilligen ambulanten oder stationären Drogentherapie teilzunehmen, und wenn er das Anerbieten auch durchhält.
Literatur:
- Blankenburg, E. u.a. (Hrsg.): Implementation von Gerichtsentscheidungen. Opladen 1987.
- Northoff, R.: Strafvollstreckungskammer. Anspruch und Wirklichkeit. Bonn 1985.
- Wetterich, P.; Hamann, H.: Strafvollstreckung. 4. Auflage, München 1989.
Entnommen mit freundlicher Genehmigung des
Kriminalistik-Verlages Heidelberg aus der gedruckten Version des Kriminologie-Lexikons, Stand der Bearbeitung: 1991
Hans-Jürgen Kerner